Sonntag, 24. Februar 2008

The Cocka Hola Company

Eine skandinavische Misanthropie





Gestern Abend im Kammertheater, Alex, ich und ein Theaterstück. The Cocka Hola Company. Dieses Stück ist polarisierend. Mehr als alles andere was ich bisher gesehen habe. Nichts klassisches hat dieses Stück Theater an sich. Dafür grenzenlose Provokation. The Cocka Hola Company bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Publikumsbeleidigung, Schocktherapie und Gesellschaftskritik.

Bildet euch eine eigene Meinung und schaut es Euch an. Die Geister werden sich scheiden.







(Roman: Matias Faldbakken)
Die COCKA HOLA COMPANY produziert Pornofilme und ist zugleich das letzte Refugium all jener, die der blanke Ekel packt, wenn es um die Wahrung „der gemeinsamen Werte" wie Nächstenliebe, Vernunft, Liebe, Sittlichkeit und Treue geht. Darum kreieren sie den ultimativen Porno und verfolgen ihre unangepassten Projekte in einer total angepassten Realität: selbstauferlegte Isolation, Zwangsalkoholismus, die Unterwanderung alles Bestehenden durch aggressive Misanthropie. Sie alle, drogen-, sex- oder alkoholsüchtig, impotent oder radikal abstinent, eint der Hass auf den „ganzen angepassten Selbstverwirklichungsscheiß", gegen den sie bereit sind Widerstand zu leisten, koste es, was es wolle. Faldbakkens Roman, der als „libertäres Gegenbuch zu Houellebecqs konservativen Beziehungsfibeln" gefeiert wurde, ist eine bitterböse und gleichwohl äußerst komische Satire auf unsere Konsensgesellschaft.


Kritik, Stuttgarter Zeitung Online:
(Text: Roland Müller)

"Im Zentrum des Texts tut sich eine Lücke auf, die der Regisseur mit Provokationen zuschmiert.
Es spricht dabei (das dann doch) für die theatralische Qualität seines wüsten Anarcho-Happenings, dass die Unterscheidung zwischen inszenierten und nicht inszenierten Provokationen dabei oft schwer fällt. Inszeniert: weil keiner im Publikum bereit ist, sich aus Nächstenliebe auszuziehen, wird eine Frau mit Urin begossen. Nicht inszeniert: Kai Schumann verteilt Eier, um sich von den Zuschauern nach Jack-Ass-Manier bewerfen zu lassen. Inszeniert: eine Frau, abermals im Publikum, wird während einer Adventsfeier vom Weihnachtsmann bestiegen. Nicht inszeniert: die Verbalattacke auf einen Mann, der coole Cowboystiefel trägt und sich öffentlich dafür rechtfertigen muss. Auch dieses aufdringlich übergriffige Mitmachtheater dürfte nicht jedermanns Sache sein. So wie die ganze Chose, die sich hip gibt, mit seinen zum Teil geschmacklosen Szenen aber tief in die Vergangenheit führt. "Épater le bourgeois": den Bürger ärgern, das war schon im 19. Jahrhundert bei Künstlern sehr beliebt. Nichts Neues also unter der Sonne."

1 Kommentar:

friends hat gesagt…

hab übrigens schon vor einiger Zeit das Buch gelesen. Das ist vielleicht eher zu empfehlen, als das Stück. Allerdings ist da darauffolgende Buch "Macht und Rebel" eher nicht zu empfehlen, weil da hat auch Faldbakken, meiner Meinung nach, den Bogen etwas überspannt.
Jeanne